Als Übersetzerin zur Messe (2)

Vor einigen Wochen fragte mich mein Kollege Jan Schöntauf, ob ich mit auf die Hannover Messe gehen wolle. Bei Fortbildungen und Kongressen für Übersetzer werden Messebesuche oft als wichtige Akquiseform genannt, daher brauchte ich über Jans Vorschlag nicht lange nachzudenken. Auch ein dritter Kollege fand die Idee gut, und nachdem wir die Vor- und Nachteile sowie einige praktische Fragen besprochen hatten, stand unser Entschluss fest. Wir gehen auf die Messe.

In meinem ersten Beitrag zum Thema Messebe such habe ich mich mit einigen allgemeinen Fragen beschäftigt, wie z.B. Zielstellungen, Erwartungen, die Zusammenarbeit mit Kollegen, persönliches Auftreten und die eigene Ausstrahlung. Außerdem habe ich erklärt, warum es wichtig ist selektiv zu sein, und wie eine erste Auswahl potentieller Kunden getroffen werden kann. In diesem Beitrag geht es um die wirkliche Arbeit: die Vorakquise.

 

© Deutsche Messe

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Das richtige Druckmittel

Akquise ist beängstigend. Die meisten Menschen schieben sie gern endlos vor sich her. Darum ist es wichtig, für ein Druckmittel zu sorgen. Meine Kollegen und ich hielten jede Woche zur gleichen Zeit eine Telefonkonferenz. Es gab somit feste Termine, um den Fortgang zu besprechen, neue Ideen auszutauschen und die Sache am Laufen zu halten. Wenn zwei andere mit von der Partie sind, wird es schwieriger, um sich mit einer faulen Ausrede zu drücken.

Die Auswahl verfeinern

Auf der Hannover Messe gibt es ca. 6000 Aussteller. Eine erste grobe Auswahl ist daher unerlässlich. Bei mir ergab diese erste Auswahl eine Liste von ca. 100 Unternehmen. Und das war immer noch zu viel. Durch einen kurzen Blick auf die Websites dieser Unternehmen war es möglich, die Auswahl auf ca. 40 Firmen zu begrenzen. Bei einigen Firmen sprach mich die Website nicht an oder ich fand das Produkt bei näherer Betrachtung doch nicht interessant genug. Andere wiederum hatten bereits eine gut gestaltete niederländische Website. Und bei einigen sagte mein Gefühl, dass es auf die eine oder andere Weise nicht passte.

Es ist wichtig, sich bei der Auswahl auf das eigene Gefühl zu verlassen. Akquise stellt an sich schon eine hohe Hürde dar und das Letzte, was man braucht, sind weitere Hindernisse. Diese Arbeit soll ja weiterhin angenehm bleiben. Scheuen Sie sich daher nicht eine Firma von Ihrer Liste zu streichen, wenn Sie die Website generell nicht einladend finden oder die in der Rubrik „Über uns“ abgebildete Person einen unsympathischen Eindruck macht.

Anrufen oder eine E-Mail schicken?

Während der Vorbereitungen wurde für mich immer deutlicher, dass es besser ist, das Unternehmen vor der Messe anzurufen. Aber das ist auch der unangenehmste und zeitraubendste Teil. Wenn Sie sich dafür entscheiden, ein Unternehmen anzurufen, beginnen Sie dann zu Übungszwecken mit einem kleineren Unternehmen. Desweiteren ist zu empfehlen, sich vorher umfassend zu informieren: Welche Produkte bietet die Firma an? Welche aktuellen Entwicklungen sind interessant und bieten diese Anknüpfungspunkte für ein Gespräch? Wie präsentiere ich mich und komme ich schnell auf den Punkt? Und was noch wichtiger ist: Was will ich mit dem Gespräch erreichen? Besteht Ihr Ziel darin, einen Termin mit einem Ansprechpartner auf der Messe zu vereinbaren, vorzufühlen, ob die Firma Interesse am niederländischen Markt (und für Ihre Dienstleistung) hat oder wollen Sie vielleicht sogar probieren, einen Auftrag direkt zu akquirieren? Was immer Ihr Ziel auch ist, konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche und sorgen Sie dafür, dass der Kundennutzen immer im Mittelpunkt steht.

Meine Erfahrung ist, dass die Entscheidung anzurufen, sehr davon abhängt, wie viel Zeit noch bis zum Messebeginn zur Verfügung steht. Wir haben uns ziemlich spät dazu entschlossen, die Messe zu besuchen. Zwei Monate scheint viel, ist aber nicht genug. Man darf nicht vergessen, dass die Arbeit wie gewohnt weitergeht und dass die Vorbereitung für den Messebesuch zusätzlichen Aufwand bedeutet. Arbeit, die nebenbei getan werden muss. Zwei Monate sind dann schnell vorbei und wir wissen alle, wie das geht. Ein Haufen Arbeit ist die beste Entschuldigung, um so etwas Unangenehmes wie Akquise beiseitezuschieben. Wir sagen uns lieber: „Das kann ich auch später noch machen“.

 

© Wiki Commons / RaBoe

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Aber es gibt noch einen anderen Grund, um so früh wie möglich anzufangen: Ihr Service kann mehr umfassen. Lange vor Messebeginn ist die Chance größer, dass ein potentieller Kunde bei der Vorbereitung seines Präsentationsmaterials Ihre Dienstleistung in Anspruch nimmt. Sie können ihm also ein konkretes Angebot unterbreiten. Ein oder zwei Wochen vor der Messe ist das viel schwieriger. Es wird bestimmt noch Kunden geben, die noch Bedarf an Übersetzungen haben, aber die Zeit wird nicht mehr reichen, um diese zu erstellen und noch drucken zu lassen. Ihr Angebot muss sich deshalb mehr auf die Zeit nach der Messe richten. Aber das ist für den Kunden noch weit weg. Er muss erst schauen, was die Messe für Ergebnisse erzielt.

Trotzdem haben wir einige Telefonate geführt. Die Resultate waren sehr unterschiedlich, bei einigen Unternehmen ging niemand ans Telefon, andere hatten kein Interesse und ein Unternehmen erteilte einen konkreten Auftrag. Die Telefonate waren eine gute Übung und alle Gespräche waren angenehm. Zu merken, dass am anderen Ende der Leitung auch nur normale Menschen sitzen, die solch einen Akquiseversuch nicht merkwürdig finden, ist eine wichtige Erfahrung, denn wir denken immer schnell, dass wir uns aufdrängen und dass andere kein Bedarf an unserer Dienstleistung haben.

Weil der Messebeginn so kurz vor der Tür stand, beschlossen wir, den ausgewählten Firmen per E-Mail unseren Besuch am Messestand anzukündigen. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, unsere Daten schon mal beim Kunden zu hinterlassen. Desweitern können wir die Mail als Anlass verwenden, um am Messestand ins Gespräch zu kommen. Außerdem hoffen wir, dass der Kunde vielleicht angeregt wird, um über eine niederländischsprachige Unternehmenspräsentation nachzudenken.

Nicht den Mut verlieren!

Wenn man im Vorhinein mit dem Unternehmen Kontakt aufnimmt, besteht eine reelle Chance, dass man abgewiesen wird. Das ist natürlich nicht schön, aber noch lange kein Drama. Es erspart einem ein Gespräch am Stand, bei dem nichts herauskommt und es gibt mehr Zeit, um seine Aufmerksamkeit auf andere Kunden oder Messeevents zu richten. Betrachten Sie es daher als eine Möglichkeit, Ihre Auswahl weiter zu verfeinern.

Ein Gespräch am Messestand

Es ist sinnvoll darüber nachzudenken, wie man das Gespräch am besten führen kann, aber von detaillierten Gesprächsentwürfen verspreche ich mir nichts. Jeder Kunde ist anders und es hängt viel von der Situation oder dem Moment ab. Was man machen kann, ist ein sogenannter Elevator Pitch ausarbeiten. Das ist eine kurze Präsentation, mit der man sich kurz und bündig darstellt: wer man ist, was man macht und welchen Nutzen der Kunde von der Dienstleistung hat. Außerdem ist es ratsam, von jedem Kunden einige Angaben zusammenzustellen, wie z.B. den kompletten Namen des Unternehmens, die Namen von eventuellen Kontaktpersonen auf der Messe und beim Unternehmen (herauszufinden auf der Website der Hannover Messe oder direkt beim Unternehmen), Branche, Produktpalette, Messestandplatz, relevante Entwicklungen oder andere Informationen, mit denen man im Gespräch sein Interesse am Unternehmen zeigen und seine Sachkenntnis zum Ausdruck bringen kann. Stellen Sie im Gespräch nicht sich selbst sondern die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt und überlegen Sie sich schon vorher, welche Ergebnisse das Gespräch erzielen soll.

 

© Wiki Commons / RaBoe

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Rechnen Sie damit, dass die meisten Mitarbeiter am Stand mit dem Einkauf von Übersetzungsdienstleistungen nichts zu tun haben. Ein konkreter Übersetzungsauftrag ist daher nicht zu erwarten. Ein Gesprächsziel kann sein, zu erfahren, ob der Kunde zukünftig auch in Ihrer Zielsprache in Erscheinung treten will. Man kann auch probieren herauszufinden, welche tatsächlichen Bedürfnisse das Unternehmen im Bereich internationaler Kommunikation hat. Ein weiteres Ziel kann sein, Namen, Telefonnummern und E-Mailadressen von Mitarbeitern zu erhalten, die innerhalb des Unternehmens für Marketing und PR verantwortlich sind. Letztendlich kann man einen Stand aber auch besuchen, um sich über die aktuellen Entwicklungen innerhalb der Branche zu informieren, in der man spezialisiert ist.

Was bei meinen Gesprächen letztendlich herauskam, können Sie in meinem folgenden Beitrag über den Messebesuch lesen.

Tipp:

Eintrittskarten sind meistens gratis erhältlich, z.B. über die Handelskammer, Branchenverbände oder direkt bei den Unternehmen, die auf der Messe ausstellen.

Hier erhalten Sie noch Karten für die Hannover Messe, aber auch für die CeBIT und die CeMAT.