In der Welt des Übersetzens löst das Wort Akquise oft gemischte Gefühle aus. Die meisten Übersetzer verstecken sich lieber hinter ihrem Schreibtisch, als dass sie auf potentielle Kunden zugehen und bei ihnen für ihre Dienstleistung werben. Das ist schade, denn so picken sich die Übersetzerbüros die besten Rosinen heraus. Und viele Übersetzer geben sich damit zufrieden, denn so müssen sie ihren Arbeitsplatz nicht verlassen oder Telefonate führen, bei denen sie unsicher sind. Sie werden kontinuierlich mit Arbeit versorgt. Schön. Aber wer einen guten Kundenstamm mit herausfordernden und gutbezahlten Aufträgen möchte, muss über seinen Schatten springen. Beängstigend? Ja, natürlich! Aber gemeinsam mit anderen kann Akquise auch Freude machen. Dieses Jahr habe ich mit zwei Kollegen den Stier bei den Hörnern gepackt. Wir gehen auf die Messe!
Vor einigen Wochen fragte mich ein Kollege, ob ich mit auf die Hannover Messe gehen wolle. Die Hannover Messe ist die größte Industriemesse der Welt. Hier kommen jedes Jahr im April Unternehmen aus der ganzen Welt zusammen, um ihre Produkte im Bereich Industrieautomation, Energie- und Umwelttechnologie und Industrielle Zulieferung zu präsentieren.
Und warum ausgerechnet die Hannover Messe?
Wir sind Übersetzer und Dolmetscher mit der Sprachkombination Deutsch-Niederländisch oder Niederländisch-Deutsch und übersetzen bzw. dolmetschen hauptsächlich für Auftraggeber aus Branchen, die auf der Hannover Messe vertreten sind. Aber was die Messe für uns besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass die Niederlande in diesem Jahr Partnerland der Hannover Messe sind. Unter dem Motto „Global Challenges, Dutch Solutions“ möchten die Niederlande auf der Messe ihren Bekanntheitsgrad als Land von Innovation und Kreativität erhöhen. Daran möchten wir anknüpfen.
Schön, aber zahlt sich so ein Messebesuch denn auch aus?
Das weiß man natürlich immer erst danach. Und es hängt ganz entscheidend von den Zielen und der Vorbereitung ab. Besucht man die Messe, um neue Kunden zu gewinnen, um die eigene Branchenkenntnis aufzufrischen oder um sich als Übersetzer/Dolmetscher einen Überblick darüber zu verschaffen, was auf einer Messe so passiert?
Wenn Sie noch nie auf einer Messe waren, dann setzen Sie Ihre eigene Zielvorgabe nicht zu hoch an. Nehmen Sie sich einen Tag Zeit, um erst einmal herumzuschauen. Das ist besonders zu empfehlen, wenn es sich um eine so große Messe wie die in Hannover handelt. Man bekommt dann ein Gefühl für die Dimension (ca. 200.000 Besucher und ca. 6000 Aussteller in 27 Ausstellungshallen auf mehreren Quadratkilometern), für die Branchen und die Menschen an den Messeständen. Man geht wahrscheinlich nach Hause, ohne neue Kunden akquiriert zu haben, dafür aber mit einer Tasche voller Informationsmaterialien und vielen wichtigen, neuen Einblicken.
Und die kann man sehr gut gebrauchen, wenn man ein Jahr später wieder auf der Messe ist, um gezielte Akquise zu betreiben. Denn schließlich birgt die Messe eine große Ressource an potentiellen Kunden. Aber wenn man aus dieser schöpfen will, sind entsprechende Vorbereitungen und – nicht zu vergessen – ausführliche Nachbereitungen nötig. Ob letztendlich wirklich Kundengewinnung erreicht werden kann, bleibt offen. Aber man kann dem Glück ja ein bisschen nachhelfen.
Allein oder mit anderen?
Wenn es nur darum geht, sich einen Überblick zu verschaffen, dann geht das problemlos allein. Man kann dann prima sein eigenes Tempo bestimmen und überall so lange schauen, wie man will. Dann merkt man auch, wie einfach es ist, mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Andererseits merkt man aber auch, wie ungewohnt und merkwürdig es sein kann, um sich als Übersetzer/Dolmetscher anzupreisen und wie schwierig es ist, als sein eigener Verkäufer aufzutreten.
Geht es hauptsächlich um Kundengewinnung, ist es effektiver und auch netter, wenn ein oder mehrere Kollegen dabei sind. Man kann sich gegenseitig ermutigen und während des Gesprächs unterstützen. Außerdem ist es zu zweit oder zu dritt einfacher, die Aufmerksamkeit der Verkäufer zu wecken und vor allem zu halten. Letzteres lässt nämlich schnell nach, wenn die Verkäufer merken, dass man kein potentieller Kunde ist.
Aber auch bezüglich der vielen Vorbereitungen ist eine Zusammenarbeit mit Kollegen von großem Vorteil. Und natürlich nicht zuletzt, was das professionelle Auftreten anbelangt. Es bietet einem Unternehmen Sicherheit, wenn man sich als Netzwerk und nicht als Einzelkämpfer darstellt.
Das Wichtigste ist eine professionelle Präsentation
Wie bereits gesagt, ist es wichtig, sich als Netzwerk zu präsentieren. Tun Sie sich dabei mit Kollegen zusammen, die die gleiche Sprachkombination haben. Gut ist auch, wenn nicht nur Übersetzer sondern auch Dolmetscher ins Boot geholt werden können, denn auf diese Weise kann ein breites Leistungsspektrum abgedeckt werden. In unserem Netzwerk arbeiten wir folgendermaßen: Übersetzen und Dolmetschen aus dem Niederländischen ins Deutsche und umgekehrt nach Vier-Augen-Prinzip sowie Muttersprachenprinzip.
Aber noch wichtiger ist es, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, denen man vertraut, die die gleichen Qualitätsstandards und die gleiche Arbeitsweise haben. Man muss nicht nur gemeinsam auf die Messe, sondern sich auch danach auf den anderen verlassen können.
Sorgen Sie dafür, dass jeder über professionelle Visitenkarten verfügt. Heutzutage ist es nicht mehr so kostspielig, um solide Visitenkarten drucken zu lassen. Sparen sie nicht an der Qualität. Diese Visitenkarte ist Ihre Visitenkarte!
Haben Sie eine Website? Wenn nicht, lassen Sie eine erstellen. Bei einem kleinen Budget reicht es, wenn diese nur eine Seite hat. Diese sollte deutliche Informationen zur Person, Sprachkombination(-en) und Spezialisierung(-en) enthalten. Auch ein Foto sollte nicht fehlen. Kein Urlaubsbild, sondern mindestens ein gutes Passfoto, welches Professionalität ausstrahlt. Sollte ein Unternehmen nach der Messe zu Ihrer Visitenkarte greifen, hilft ein Foto auf der Website um dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Außerdem: Wollen auch Sie nicht lieber sehen, mit wem Sie es zu tun haben?
Wenn Sie sich mit dem Gestalten von Websites nicht auskennen, lassen Sie einen Profi heran. Denn nichts stößt potentielle Kunden mehr ab, als eine Website, die hinten und vorne nicht stimmt und auf der allerlei Schnickschnack den Blick auf das Wesentliche verstellt. Auch hier sollte besser nicht an der Qualität gespart werden.
Auf die Herstellung von Flyern haben wir nach kurzer Überlegung verzichtet, denn diese landen höchstwahrscheinlich im Papierkorb. Mit einer Visitenkarte passiert das nicht so schnell. Und wenn auf dieser auch der Name der Website steht, dann ist das eigentlich ein digitaler Flyer.
Welcher Messetag eignet sich am besten?
Bei mehrtägigen Messen ist es sinnvoll, sich die beste Zeit herauszupicken. Bei der Hannover Messe ist der erste Tag interessant, weil die Niederlande als Partnerland am Eröffnungstag besonders im Mittelpunkt stehen. Praktisch, um daran anzuknüpfen. Aber am ersten Tag muss man damit rechnen, dass die Verkäufer besonders auf Kundengewinnung und Kaufabschlüsse fixiert sind. Als Übersetzer ist man im Prinzip nicht interessant und kann freundlich, aber schnell, abgewimmelt werden. Doch an diesem Tag sind die meisten Verkäufer enthusiastisch und noch voller Elan.
Das ist an den letzten Tagen oft nicht mehr so. Die meisten Deals sind dann abgeschlossen und die Verkäufer möchten langsam wieder nach Hause. Auch herrscht an den Ständen weniger Gedränge und die Verkäufer haben etwas mehr Zeit. Das erhöht die Chancen auf ein längeres Gespräch.
Aber letztendlich kommt es darauf an, ob man gut vorbereitet und in der Lage ist, selber ein gutes Verkaufsgespräch zu führen.
Tipp: Kümmern Sie sich rechtzeitig um Übernachtungsmöglichkeiten, z.B. auf www.airbnb.com.
Eine Auswahl ist wichtig
Es hat wenig Sinn, alle Stände abzuklappern und zu schauen, welche denn interessant sein könnten. Ein oder selbst zwei Tage sind viel zu kurz und die Füße werden es Ihnen übel nehmen. Treffen Sie daher vorher eine Auswahl an Unternehmen, die für Sie als Kunde interessant sein könnten.
Auf fast allen Messe-Websites findet sich eine Übersicht der Branchen und Aussteller. Oft sind auch Informationen zum Herkunftsland des Unternehmens und dessen Website zu finden. Auf der Website der Hannover Messe kann man eine sehr hilfreiche Suchfunktion nutzen, mit der man nach Branche, Produktgruppe oder Produkt filtern kann.
Machen Sie eine erste grobe Auswahl und schauen Sie sich dann die Websites der selektierten Unternehmen an. Passt das Unternehmen wirklich zu Ihrem Profil? Ist das Unternehmen in Ihrem Land tätig oder gibt es Anzeichen, dass dies in Zukunft geplant ist? Gibt es die Unternehmenswebsite bereits in Ihrer Muttersprache? Kann man auf der Website Namen von eventuellen Kontaktpersonen herausfinden?
Verfeinern Sie die Auswahl, sodass letztendlich 20-30 Unternehmen übrigbleiben. Das ist die Basis für die nächsten Schritte. Wohin diese führen, lesen Sie in meinem nächsten Blog.
Das nächste Mal:
– Akquise vor der Messe
– Ein Gespräch am Messestand